Neue Amnesty-Recherchen belegen, wie die Hongkonger Polizei auch während der Verhaftung von Protestierenden und in Gewahrsam exzessive Gewalt anwendet. Amnesty bekräftigt die Forderung nach einer sofortigen unabhängigen Untersuchung.
Die Hongkonger Polizei geht während der aktuellen Demonstrationen mit unverhältnismäßiger Gewalt vor. Mehr als 1.300 Menschen wurden bereits im Kontext der Proteste verhaftet. Bei den Verhaftungen und in Polizeigewahrsam kommt es immer wieder zu gewaltsamen rechtswidrigen Übergriffen, Misshandlungen und in Einzelfällen sogar zu Folter. Dies belegen aktuelle Amnesty-Recherchen vom September 2019.
„Vor und während der Verhaftung von Protestierenden in Hongkong kommt es immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen durch Polizeibeamte. Fast alle der von Amnesty befragten Personen schilderten, wie sie mit bloßen Händen und Gummiknüppeln geschlagen wurden, auch wenn sie keinen Widerstand leisteten. Diese unverhältnismäßige Anwendung polizeilicher Gewalt ist rechtswidrig und verstößt klar gegen internationales Recht“, sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. Betroffene beschrieben gegenüber Amnesty, wie sie gefesselt auf der Straße liegend über einen längeren Zeitraum Tränengas inhalieren mussten.
„Trotz ernsthafter Verletzungen verweigerte die Polizei oft auch die notwendige ärztliche Versorgung. In den von Amnesty untersuchten Fällen war es vielfach so, dass der Notarzt erst verspätet, bis zu 10 Stunden nach der Verletzung, gerufen und die Person zunächst nicht ins Krankenhaus gebracht wurde“, so Beeko. „In der Mehrheit der von Amnesty untersuchten Fälle mussten die Verhafteten aufgrund der erlittenen Gewalt im Krankenhaus behandelt werden.“ Unter den Verletzungen waren mehrfache Knochenbrüche, abgebrochene Zähne und Platzwunden.
„In mehreren Fällen wurden Protestierende auch später in Haft schwer verprügelt und anderweitig misshandelt und sogar gefoltert. Dabei sollten die
Misshandlungen scheinbar als „Strafe“ für Widerspruch oder angeblich mangelnde Kooperation mit den Behörden dienen“, sagt Beeko. Inhaftierte berichteten Amnesty, dass ihnen mit Laserstiften sekundenlang ins Auge gestrahlt wurde. Eine Frau berichtete, dass sie unter Beschimpfungen gezwungen wurde, sich auszuziehen und eine Leibesvisitation über sich ergehen zu lassen.
Am 7. und 8. September 2019 wurden Amnesty-Mitarbeiter Zeugen, wie die Polizei Pfefferspray und sogenannte „Pepperballs“ gegen Journalisten einsetzten, die deutlich als solche zu erkennen waren. Amnesty hat außerdem eine Vielzahl von willkürlichen Festnahmen dokumentiert, ebenso wie Fälle, in denen die Polizei den Betroffenen den Kontakt zu ihrem Anwalt verwehrte oder zumindest verzögerte.
„Amnesty International fordert eine sofortige unabhängige Untersuchung der Gewalt: die Verantwortlichen müssen bestraft und die Opfer entschädigt werden. Das bestehende Klima der Straflosigkeit ermutigt die Täter nicht nur zu weiteren Gewalttaten, es schüchtert auch Menschen ein, die einfach nur ihre Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit wahrnehmen wollen“, so Beeko.
Amnesty-Mitarbeiter sprachen mit insgesamt 21 Menschen, die während der Proteste verhaftet wurden, außerdem mit Anwälten, medizinischem Personal und anderen Ersthelfern. Außerdem wurden Video- und Fotoaufnahmen von Protesten analysiert und ausgewertet. An zwei Tagen wurden die Amnesty-Mitarbeiter selbst Zeugen rechtswidriger Polizeigewalt gegen Protestierende, Medienvertreter und Unbeteiligte.
Der Bericht finden Sie hier: https://www.amnesty.de/sites/default/files/2019-09/Amnesty-Briefing-Hongkong-China-Polizeigewalt-September-2019.pdf